Retten - Löschen - Bergen - Schützen in Elbenberg - für Elbenberg

Eine neue Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

(Ein Kapitel aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ab 1946) von Fr. Schiller

Die Bevölkerungsumschichtungen, die der letzte Krieg mit sich brachte, sind ihrem Ausmaße nach wohl ohne Beispiel in der Geschichte. Für Deutschland muß man bis in die Völkerwanderungszeit zurückgehen, um nur annähernd vergleichbare Veränderungen zu finden, in Nordhessen bis in die vorchattische Zeit, also bis in die Vorgeschichte. Universitätsprofessor an der Prager Deutschen Universität, Prof. Dr. Ernstberger, ein Egerländer und Heinz Krecker haben die heutige Bevölkerungsstruktur des nordhessischen Dorfes untersucht und aufgezeigt.

1939 betrug die Einwohnerzahl des Reg.-Bezirks Kassel 971.870. Anfangs 1949, nach dem Verebben des ersten Flüchtlingsstromes, 1.248.220 = Zunahme um 30 % für eine Landschaft, die bisher kaum für alle ihre Menschen ausreichende Lebensmöglichkeit bot. Familien wurden zum Zusammenleben gezwungen, die sich fremd waren nach ihrer Herkunft, fremd der Beruf, fremd die Art, fremd bis in die kleinsten Lebensgewohnheiten. Jede Gemeinde, auch die kleinste, bekam Neubürger.

Aus allen Teilen des Ostens kamen sie. Die deutsche 700- jährige Ostkolonisation war zurückgeschlagen. Sie kamen, von ostslawischen Völkern ausgeraubt, zeitweise versklavt (Zwangsarbeit), gequält, geschunden, Frauen oft vergewaltigt, von unmenschlichen Bestien hussitischer Prägung gejagt und getrieben, in das zertrümmerte Rest-Deutschland, auch nach Hessen.

1984 fahren Westdeutsche, hauptsächlich Sudetendeutsche, als "Wohlstandsbürger" mit ihren feinen Autos hinüber, um den Tschechen zu zeigen, wie gut sie es bekommen hätten. Oder man pilgert lachend durch die Prager Hauptstraßen und über Plätze, wo zu Tausenden Deutsche 1945/46 gefoltert, zu Tode geschunden oder auf der Karlsbrücke als "Benzinfackeln" lebend hingen.

Das vergossene deutsche Blut "klebt" noch an den Pflastersteinen, über die der deutsche Wohlstandsbürger schwänzelt. Viele St.-Wenzelstschechen (deutschfreundlich) erlitten ein ähnliches Schicksal.

Am 30.9.1949 wohnten im Regierungsbezirk Kassel 233.631 Heimatvertriebene, 124.539 aus dem Sudetengau, 86.445 aus Ostdeutschland, östlich der Oder vertrieben, 17.596 aus dem SO Europas geflüchtet. Dazu kamen zahlreiche Evakuierte, die des Krieges halber die größeren Städte und Provinzen verlassen hatten.

Seit Januar 1945 waren bereits die Ostdeutschen eingesikkert und hatten bei Verwandten und Bekannten Zuflucht gefunden. Die Sudetendeutschen kamen erst 1946. Auf den Bahnstrecken von der CSR zu den bayerischen Grenzbahnhöfen lagen rechts und links der Bahnstrecken gelbe und weiße Armbinden wie gesät, mit dem tschechischen Aufdruck "N" = Nemee = Deutscher, die die Deutschen in der CSR am Arm tragen mußten, wie die Juden im NS-Deutschland. Die Lebensmittelkarten hatten auch das "N" aufgedruckt und die Rationen nannte man "Judenrationen".

In manchen Dörfern im westlichen Deutschland waren bis zur Hälfte der Bewohner "Neubürger".

Das gesellschaftliche Bild des hessischen Dorfes war bis zum Krieg fast unverändert geblieben, es hatte noch die alte, allmählich gewachsene Ordnung. Die eigentliche Bauernbevölkerung war schon vor dem Ende des Krieges in den meisten Dörfern in der Minderzahl, so war dennoch die eingesessene Bevölkerung dem Boden verbunden, denn die "Kleinen Leute", die Arbeiter, betrieben nebenher ihre kleine Land­wirtschaft wie die ländlichen Handwerker.

Der Hauptarbeitgeber war ja in unserem Elben/Elberberg der Buttlarsche Gutshof, der Waldhof und dazu noch einige Bauernhöfe. Am Gutshof gab es Arbeit, im Walde, der Landwirtschaft und der Renterei, und vor dem Kriege in der Ziegelei und Brennerei beim "Tonloch". Nur wenige arbeiteten auswärts.

Heimat und Stammesgefühl banden die Dorfbewohner an die Dorfgemeinschaft (Volksgemeinschaft). Sie hatten nicht das Gefühl, gesellschaftlich "deklassiert" zu sein.

Die Jahre 1945 und 1946 revolutionierten die bisherige Dorfgemeinschaft. Die sozialschwächeren Schichten, die Arbeiter und Wohlfahrtsempfänger, wurden durch die neuen Bürger ungesund vermehrt, auch die Gruppen der Bodenentwurzelten. In viele, fast reine Bauerndörfer wurde der Gegensatz zwischen Stadt und Land in das Dorf selbst hineingetragen. Zwei verschiedene Mentalitäten stießen in Hessen aufeinander: Binnendeutsche - Grenzlanddeutsche; vorkapitalistisch denkender Kleinlandwirt - kapitalistisch denkender Industriearbeiter; der Besitzende - der Habenichts; kulturelles Erbe des Altbürgers mußte sich mit dem des Neubürgers auseinandersetzen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten ergaben sich.

Die vertriebenen Bauern, gewöhnt an den guten Boden ihrer Heimat, zeigten keine Lust, steinige und steile Äcker Hessens zu bestellen. Sie traf es am schlimmsten. Landarbeiter wollten sie nicht werden, blieb nur Fabrikarbeit oder Unterstützungs­empfänger übrig. Handwerker hatten es schwer, ihr Brot zu finden, da schon bei den Einheimischen durch fortschreitende Industrialisierung die bodenständigen Handwerker es schwer hatten.

Als Heimatvertriebene in unsere Dörfer Elben und Elberberg kamen, gab es noch 2 Schmiede, 4 Schreiner, 1 Stellmacher, 3 Schuhmacher, Weißbinder, 3 Kaufläden, Bauern, Knechte, Mägde, Maurer, Zimmerer, Gespannführer, Krankenpfleger (Merxhausen) u. n. a. Arbeitsberufe.

Die schon fortschreitende Industrialisierung verursachte schon ein Sehwinden bei den einheimischen selbstständigen Handwerkern. Die älteren Heimatvertriebenen und Flüchtlinge hofften immer noch auf eine Rückkehr in ihre alte Heimat, sie trauten sich nicht mehr, eine neue Existenz aufzubauen.

Es kamen für die Sudetendeutschen und Ostdeutschen Heimatbriefe und -zeitungen heraus, die sich als Brücke zur alten Heimat fühlten und auch den Heimatvertriebenen Trost und Hoffnung gaben. Diese Heimatbriefe sammelten geistig und organisatorisch die Verzweifelten, Trostlosen, Hoffenden mit dem Blick und der Bitte an die Weltöffentlichkeit: "Gebt uns unsere Heimat wieder!“ Die Heimatbriefe, die seit 1949 erschienen, von Heimatfachleuten redigiert, von Heimatvertriebenen aus überquellendem Herzen mit Beiträgen aller Schichten aus der Vergangenheit. "Wie‘s daheim war, so wird‘s nimmermehr!“ …. ausgestattet, sind und waren sie das Band, das alle Entrechteten zusammenhielt. Das vielseitige geistige und körperliche Zusammenleben in der Heimat stand dadurch immer wieder lebendig vor aller Augen. Die Organisation in Heimatvertriebenenverbänden machte es möglich, daß man alljährlich zu gewaltigen Großkundgebungen in der BRD und Österreich zu Hunderttausenden zusammenkarn und der alten Heimat Treue schwor. Weil die Vertreiber Sippen- und Dorfgemeinschaften bewußt zerrissen und ver trieben, traf man sich dorf-, stadt- und gebietsweise bei diesen Kundgebungen an bestimmten Stellen. Das Wiedersehen war oft herzerschütternd. So ging Stalins PIan und Rechnung, ganz verarmte und entrechtete deutsche Vertriebene werden in Deutschland-West die Wegbereiter des sowjetischen Weltkommunismus sein, nicht auf. Er hatte sich gründlich verrechnet. Die Vertriebenen packten aber dann beim Wiederaufbau Deutschlands (BRD) kräftig mit an. Das war das große Verdienst der Neubürger.

Die Ostdeutschen waren als Flüchtlinge allgemein früher gekommen, hatten Bekannte, Verwandte und Freunde in Hessen. Sie fanden außer den selbstständigen Landwirten bis auf einzelne Großgrundbesitzer (Wendt, Von Schickfuß) Zugang zu ähnlichen Lebens- und Erwerbsverhältnissen wie in ihrer Heimat, durch die Hilfe der Familie von Buttlar, Elbenberg und im Knüllwald durch den hessischen Staat, u. a.

Das Zueinander gewöhnen wurde erschwert durch die in manchem entgegengesetzte Stammesart und Lebensauffassung beider Bevölkerungsgruppen. Aufgeschlossenheit der Vertriebenen von den Hessen als Schwatzhaftigkeit angesehen, Gefühle zeigen = Mangel an Selbstbeherrschung; österreichische Höflichkeitsformen der Sudetendeutschen = Scheinheiligkeit, was nicht stimmte; denn der Sudetendeutsche, ob aus dem Gebirge oder vom Lande, war Christ mit Leib und Seele, das immer in das Alltagsleben und teilweise in die Tradition der Altvorderen bis in die "heidnische Zeit“ eingriff. Der Herrgottswinkel war Mittelpunkt des Hauses und Hofes im Dorf und in der Stadt. Volksbräuche aus heidnischer Vorzeit waren in christliches Gewand gekleidet. Prozessionen und Pilgerfahrten in die nähere und weitere Umgebung des Wohnortes brachten Trost und Hoffnung im Alltagsleben. Das Brotbacken war eine Gottesgabe, die Andacht in der Dorfkapelle brachte seelische Stärke für das Sein. Der Pfarrer war Seelsorger und Bauer im Dorfe; denn der Pfarrei war oft eine bäuerliche Wirtschaft angegliedert. Die Pfarrer im Egerland waren überwiegend Prämon­stratenser aus dem Stift Tepl bei Marienbad und stammten meistens aus bäuerlichen Familien ihrer Egerländer Heimat.

Einheimische warfen manchem Vertriebenen Faulheit vor, zumal, wenn gesunde Männer von über 65 Jahren nicht mehr arbeiteten, wie es bei hessischen Bauern selbstverständlich war, sondern ihre Unterstützung verzehrten. Diese Haltung bei den Vertriebenen war seelisch bedingt, wie auch manche Krankheit. Die plötzlich hereinbrechende Vertreibung und die folgende Zerstreuung und Zersplitterung der Sippen-, Dorf- und Wohngemeinschaften, auch in den sudetendeutschen Städten, wirkten wie ein Schock, da sie ja vom Tisch weg ins Nichts von den hussitischen Tschechen gejagt wurden, oft bei Nacht und Nebel, nur mit dem, was sie am Leibe trugen. Die Vertriebenenliteratur der Ostdeutschen brachte und bringt erschütternde Berichte aus sämtlichen ostdeutschen Provinzen und Gauen.

"Gebt uns unsere Heimat wieder! Wir wollen wieder heim! Herrgott, warum hast Du dies zugelassen!" So stiegen die Klagen zum Himmel und so mancher machte seinem Leben ein Ende. Das Buch "Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen" ist die "Blutbibel" der Hussitentschechen. Ich erlebte 1946 als Soldat an der Ostfront die grauenvolle Flucht der Schlesier in die fanatisierten Hussitenhaufen der Tschechen, dann die grausame Vertreibung der Sudetendeutschen am eigenen Leibe ins Nichts, ins zertrümmerte Deutschland, wieder getrieben von haßerfüllten tschechischen Hussistenhaufen mit mongolischem Blut in den Adern.

So war es kein Wunder, wenn die ältere Generation der Vertriebenen und Flüchtlinge nun geistig in ihrer verlorenen Heimat lebte und sie oft übernatürlich "vergoldete". Sie entwickelten ein besonderes Solidaritätsgefühl untereinander durch das Zusammenleben und große Heimattagungen, gründeten in vielen Orten Vereinigungen heimatbewußter Art, wo sie sich für Stunden wieder "daheim" fühlten.

Bitter war es, wenn eine ausgesprochene Stadtbevölkerung in die Abgeschiedenheit eines hessischen Gebirgstales mit fast reinem bäuerlichem Charakter verpflanzt wurde. So erging es Asch, einer wohlhabenden Industriestadt im äußersten Zipfel Nordwestsudetenlands. Sie kamen ins Pfiefetal, kaum ein Schimmer von Industrie. Bildlich gesagt: Man konnte als Mann oder Frau von Süden her den Bereich der Stadt Asch als Nackter betreten und den entgegengesetzten Bereich als eleganter Herr oder feine Dame wieder verlassen, mit allem ausgestattet, was man unter "fein" oder "elegant" verstand. Das wirtschaftliche, gesellige und geistige Leben war weithin bekannt. Es hieß immer: "Asch ist eine "Republik, ein Staat" für sich!"

In der Rotenburger Textilindustrie fanden die Neubürger mit gleicher sozialer Struktur Beschäftigung in ihrer gewohnten Arbeit. So geschah es auch in Oberfranken, der Urheimat der Westsudetenländer, von wo ihre Ahnen als Kolonisten "gen Losten wolln wir reiten", von Locatoren (Werbern) gelockt, vor 700 Jahren zogen und braches Naturland in eine blühende Landschaft verwandelten, die nach dem 2. Weltkrieg ab 1946 nach und nach in großen Teilen in ihren Urzustand wieder zurückfällt. Einst sangen die Ostlandkolonisten "Nach Ostland wollen wir reiten, nach Ostland wollen wir fort. Wohl über grüne Heiden, da finden wir besseren Ort". Man sprach: "Den ersten der Tod, den zweiten die Not, den dritten das Brot!" Dies bedeutet, daß man erst nach drei Generationen ein Anfangsziel erreicht haben wird.

Am schwierigsten war es, den vertriebenen Bauern zu helfen; denn sie hatten im wahrsten Sinne des Wortes alles verloren. Woher sollte es für sie unerschlossenes Land, das sich lohnt, unter den Pflug zu nehmen, geben? Das gab es in Hessen kaum noch. Pachtland? Das müßte man den Einheimischen nehmen, das würde die mittleren und kleinen Betriebe, die schon sowieso in Engpässen lebten, stark schwächen. Großgrundbesitzer, wie die Herren von Buttlar, wandelten ihren Besitz in einen Familienbesitz um und teilten ihren Boden unter der Familie auf. Weil nun der einheimische Bauer, ob großer oder kleiner Besitz, mit gleicher Zähigkeit an seiner Scholle hängt wie der Vertriebene hing, sah man von derartiger Lösung ab. Nur Adelsbesitz, der durch Aussterben oder andere Gründe in hessischen Staatsbesitz überging, machte eine Ausnahme wie mit dem ehemaligen Rittergut der Herren von Berlepsch (1778) in Bubenrode bei Homberg, Größe = 396 Morgen = 99 ha aufgeteilt auf 5 Aussiedlerhöfe (heimatvertriebene Bauern). Das war nach dem 2. Weltkrieg ein beachtlicher Besitz. 1984 halten sich 3 von den 5 Höfen nur mühsam über Wasser. Nun wiederholte sich Ähnliches wie nach dem Kriege. Die Söhne der drei Höfe suchten sich Arbeit in der Industrie; denn die Haupteinnahme des Hofes war das Milchgeld, von dem Leben, Anschaffungen, Reparaturen und dergleichen bezahlt werden mußten und müssen. Der Lebensstandard wurde niedriger als der des Industriear­beiters. So, wie hessische Familien seinerzeit nach USA, Australien, Neuseeland, Kanada, Südamerika auswanderten, so hätten es Flüchtlingsbauern und Vertriebenenbauern auch gewünscht, wenn sie in Gruppen beisammenbleiben und ihren eigenen Pfarrer hätten mitnehmen können, dazu den Lehrer, den Arzt und die nötigen Handwerker.

Hauptproblem wird immer die geistige Eingliederung sein, die rassische, kulturelle und gesellschaftliche. Auf auslaufenden oder von Frauen bewirtschafteten Höfen konnte man Flüchtlingsbauern auch eine neue Existenz schaffen. Anfang 1955 gab es allein 3.000 von Frauen bewirtschaftete Höfe in Hessen.

Die Alten konnten sich nicht mehr eingliedern, dafür die Jüngeren, die sich auch bemühten. Sie legten im Verkehr mit den Einheimischen ihre Eigenarten ab, paßten sich in Sprache, Sitten und Gebräuchen an. Am stärksten war die Anpassung bei den Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren. Mit den Eltern sprachen sie die eigene Mundart, mit den Einheimischen die hessische. Die Jugend fand am leichtesten gegenseitig den Weg. Die Burschen feierten gemeinsam Kirmes, der Fußball führte sie zusammen, die Feuerwehr und andere Vereine oder der Tanzsaal. Liebesverhältnisse gingen hinüber und herüber, Ehen wurden trotz verschiedener Konfessionen zwischen beiden Gruppen geschlossen. Im Laufe der Jahre nach 1946 hatten sich die mittleren und jüngeren Jahrgänge in ihre neue Heimat eingelebt, die Alten ihre letzte Ruhe vielfach am hessischen Dorffriedhof gefunden, wenn sie nicht die Möglichkeit benutzten, hessische Dörfer zu verlassen, um vielfach Arbeitsplätze in der übrigen Bundesrepublik zu suchen oder mit ihren Verwandten und Bekannten näher beisammen zu sein. Je mehr Vertriebene und Flüchtlinge ein eigenes Geschäft, eine eigene Werkstatt oder ein eigenes Haus wieder haben konnten, umso stärker sahen sie die neue Umgebung als Heimat. Die Kinder, die hier geboren wurden, die Gräber, in denen ihre Angehörigen ihre Ruhe fanden, werden das Gefühl noch stärker an sie binden. Die Zeit wird diese Frage lösen. Sie hat es bis 1984 fast gelöst: Sudetenland ist gestorben und lebt nur mehr in Büchern und Erinnerung fort. Und eines Tages werden auch "die letzten Brücken" zur alten Heimat, die Heimatbriefe, nicht mehr erscheinen.

Das Land Hessen hat für seine aus der alten Heimat gejagten Neubürger Hervorragendes geleistet. Dafür sage ich in deren Namen nochmals Dank. Ein Gruß auch noch an alle noch lebenden Feuerwehrkameraden aus unserer alten, schönen Heimat. Die Freiwillige Feuerwehr, deren Gründungszeit um 1900 lag, war in den kleinen Bauerndörfern (z. B. 161 Einw.) der einzige Verein und daher eng verbunden mit der Dorfgemeinschaft.

Es fanden, wie hier in Hessen, regelmäßig Übungen statt und wurden vom Bezirkskommandanten inspiziert. Die Löschgeräte, Handdruckpumpen und Saugpumpen, die mit Wasser aus dem im Dorf liegenden Dorfteich oder einem vorbeifließenden Gewässer versorgt wurden, hatten ihr Spritzenhaus. Manchmal gab es in den Schläuchen Löcher, die dann zu allerlei Aufregung führten. Die Jahreshauptversammlung fand meistens im Januar (Jänner) statt und der Feuerwehrball war der schönste Ball. Der Reinertrag floß der Vereinskasse zu, zur Anschaffung neuer Geräte. Die Feuerwehrmänner trugen zu ihrer Uniform Feuerwehrhelme und eine kleine Spitzhacke am Ledergürtel.

Nach dem Anschluß ans Reich 1938 wurde die Feuerwehr der Feuerschutzpolizei unterstellt. Die Ausgaben bestritt die Gemeinde. Meine und meines Vaters Ehrenurkunde der Freiwilligen Feuerwehr Millikau (Vaters Dienstort als Schulleiter) zerriß 1945 ein Räubertscheche und warf sie meinem Vater vor die Füße.

Flüchtlinge und Heimatvertriebene 1945-1947 nach Elben und Elberberg zugezogen:

Sudentenland und Protektorat Böhmen/Mähren/CSR:
44 Familien = 146 Personen - 66 m / 80 w 128 kath. / 18 ev / - gottgl.

Schlesien:
10 Familien = 45 Personen - 20 m / 25 w 10 kath / 35 ev / - gottgl.

Ostpreußen:
5 Familien = 15 Personen - 6 m / 9 w - kath / 15 ev / 4 gottgl.

Posen:
1 Familie = 4 Personen - 1 m/ 3 w- kath / - ev / 4 gottgl.

Pommern:
 2 Familien = 4 Personen – 3 m / 1 w –kath / 4 ev / - gottgl.

Österreich
2 Familien = 6 Personen - 2 m / 4 w5  kath / - ev / 1 gottgl.

Südslawien:
2 Familien = 9 Personen - 6 m / 3 w 9 kath / - ev / - gottgl.

Rumänien:
1 Familie = 1 Person - 1 m / - w- kath / 1 ev / - gottgl.

Gesamtzahlt der Zugezogenen in Elben-Elberberg: 67 Familien = 230 Personen, davon 105 m / 125 w

Glaubensbekenntnis: 152 kath,73 ev ,5 gottgl.

Diese 230 Personen = 67 Familien wurden zunächst in 94 Räumen untergebracht. Unter den 105 männlichen Personen waren auch Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr ihrer Heimat "Gott zur Ehr', dem Nächsten zur Wehr!"

Quellen:
Eigene Aufzeichnungen aus meiner Sammlung;
Dorfleben Elbens vor 100 Jahren
H.O. Vaubel/Hessenbuch: Prof. Dr. Lemberg und Krecker W. Kürschner / Das Werden des Landes Hessen


1984 05 12 26a Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

1984 05 12 26b Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

1984 05 12 26c Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

1984 05 12 26d Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

1984 05 12 26e Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

1984 05 12 26f Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

1984 05 12 26g Ein Stück Heimat für Vertriebene und Flüchtlinge

gefunden in Festzeitschrift zum 50jährigen Bestehen der Feuerwehr Elbenberg von 1984

 

 

Donnerstag, 21. November 2024

Designed by LernVid.com