Bericht über Hochwassereinsatz im Elbetal Teil 3
Flutwelle überrollt Ippinghausen
Menschen in Angst, aber Stumm:
Ein Dorf hat sich "verändert"
Taghell leuchtete der Wolfhager Stadtteil Ippinghausen schon aus der Ferne mitten in der Nacht. Im Ortszentrum bot sich ein gespenstisches Bild: Kniehoch brauner Schlamm auf den Straßen, Heu und Geäst in den Fluten, tote Ratten neben Plastikblumenkästen in rasender Fahrt unter Brücken und über Gehwege hinweg, Menschen, die fassungslos auf ihren Treppen saßen, Männer der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks und zahllose freiwillige Helfer, die fast stumm ihre Arbeit taten. Über allem der erdrückende Geruch der ständig laufenden Aggregate und Pumpen.
Das ist nicht etwa ein "Stimmungsbild" vom Moment der großen Flutwelle, die Ippinghausen überschwemmte, sondern der Eindruck, den das Dorf etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht von Dienstag auf Mittwoch bot einem Zeitpunkt, an dem die Wassermassen schon wieder langsam (wenn auch mit enormer Fließgeschwindigkeit) abzogen.
Die Stille, die trotz aller hektischer Geschäftigkeit zu dieser Stunde über dem Dorf lag, war eine Auswirkung des Schocks, unter dem Bewohner und Helfer standen. Denn die Katastrophe bahnte sich langsam an. Erst waren es "nur" Keller, die unter Wasser standen, dann überflutete Straßen und niedrig gelegene Einfahrten und Gassen, in denen der Regen, der fast vier Stunden beim Gewitter unaufhörlich niederprasselte, sich sammelte. Doch der Pegel stieg unaufhörlich.
Seit 17.20 Uhr am Dienstag waren Feuerwehren und Polizei unterwegs, zunächst in Wolfhagen, wo das Wasser vor allem aus Richtung "Heller Platz" hinunterschoß. Kanaldeckel in der Buttlarstraße und der Hans-Staden-Straße hielten dem Druck nicht standen und flogen in die Luft. Das THW wurde alarmiert.
Die große Flut brach gegen 19 Uhr über Ippinghausen herein. Zu dieser Zeit war die Bundesstraße zwischen dem Stadtteil und Freienhagen nach einem Unfall und wegen Hochwassers schon "dicht", unpassierbar auch, weil ganze Teile von Böschungen den Berg hinuntergerutscht waren.
Der Rettungshubschrauber Christoph 7 und ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes wurden eingesetzt zur Überwachung aus der Luft - den Fliegern ist es zu verdanken, daß die Bewohner von Naumburg, Altendorf, Elbenberg und Heimarshausen (dorthin "wanderten" die Wassermassen ab) rechtzeitig gewarnt werden konnten: Sie bargen ihre Schafe und Rinder von tiefer gelegenen Weiden. Daß jedoch auch in Naumburg und den betroffenen Stadtteilen Keller ausgepumpt werden mußten, ganze Straßen "verschwunden" sind - das konnten auch die Warnungen nicht verhindern.
Die Flut in Ippinghausen forderte bis Redaktionsschluß ein Todesopfer: Ein 74jähriger Einwohner wurde von dem reißenden Strom erfaßt. Zu helfen war dem Mann nicht: Die hohe Fließgeschwindigkeit des Wassers verhinderte eine Rettung, geborgen werden konnte die Leiche, die unter einem Brückengeländer eingeklemmt war, erst gegen 21 Uhr.
Für die Hilfskräfte war die "Ippinghäuser Nacht" eine lange, denn noch gestern am späten Nachmittag, waren die Sicherungs- und Bergungsarbeiten nicht beendet. Über 200 Feuerwehrmänner aus dem gesamten Altkreis Wolfhagen waren im Einsatz, darüberhinaus das Technische Hilfswerk, das DRK und die Polizei, verstärkt mit zwei Funkwagen aus Kassel und "aus dem Bett geholten" Beamten. Die Berufsfeuerwehr Kassel, die noch in der Nacht die Gesamteinsatzleitung übernahm, war, so ein Sprecher, "kurz davor" Katastrophenalarm auszulösen.
gefunden in HNA vom 02. Juli 1987 (HNA)